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WRONG HAIRCUT
Die Erfinder des »Shantybilly«

Maret und Iko auf Weltreise
Brief 3 vom 16.10.2004


La Graciosa, 14.10.2004

Nach unserer Abfahrt vom Portugiesischen Festland haben wir uns ja gar nicht mehr gemeldet. Wir sind nicht verschollen, sondern wohlbehalten auf Porto Santo gelandet! Hier ist die Fortsetzung unseres Reiseberichtes:

Seit vier Tagen sind wir nun auf den Kanaren, auf der kleinen Insel La Graciosa nördlich Lanzarotes, von deren Existenz wir bis dato noch nie gehört hatten. Wir fühlen uns wieder einmal ein bisschen so wie Columbus beim Landfall in Mittelamerika. Sehr gemütlich liegen wir in einer geschützten Bucht auf sechs Meter klarem Wasser vor Anker und haben einen imposanten Blick auf den 470m hohen, karstigen Nordzipfel Lanzarotes. Die Insel selbst ist gerade mal 8 km lang, 3 km breit und besteht aus mehreren kleinen Vulkankegeln, dazwischen liegen endlose Sanddünen auf denen nur Gestrüpp gedeiht, kein einziger Baum, ab und zu mal eine Kaktee und Spuren von allerlei Wildgetier, das sich tagsüber im Sand vergräbt. Der Strand besteht aus sandigen Abschnitten und breiten Lavatreifen, deren verwitterte Abbruchkanten wie die angefressenen Marschreste bei uns im Wattenmeer wirken. Sogar ein paar Sandregenpfeiffer tummeln sich dazwischen und flöten, als ob gleich noch Austernfischer und Brachvögel dazu kommen könnten. Das machen die natürlich nur, um bei uns, wie selten in den letzten Wochen die Heimwehmaschine anzuwerfen. Die Lavastreifen am Ufer machen das Anlanden mit dem Dinghy immer etwas abenteuerlich, denn bei Hochwasser sind sie überspült und bei Niedrigwasser müssen wir unser Boot ein Stück über die scharfen Steine schleppen.

Caleta del Sebo

Caleta del Sebo


La Graciosa hat keinerlei befestigte Straßen, einen Ort, Caleta del Sebo, viele kleine, würfelförmige, Häuser, weißgekalkt, wie wohl auch auf Lanzarote. Ein paar Restaurantes, ein kleiner Supermercado, ein Hafen voller Fischerboote und immerhin auch ein Internetcafé. Die Alten sitzen mit ihren lampenförmigen Hüten am Hafen und palavern den ganzen Tag über. Jeden Tag die selben Gesichter. Im Hafen lag man in den letzten Wochen kostenlos, der Hafenmeister war angeblich im Urlaub. Hier ist es so schön, daß wir noch mindestens 10 Tage bleiben wollen. Gestern beim Schnorcheln wuselte ein Oktopus um unseren Anker, schillernd bunte Fische leben in den Riffhöhlen, im Wasser und an Land gibt es noch viel zu entdecken.

Daß es uns auf diese Insel verschlagen hat, verdanken wir den vielen Tips, die in Ankerbuchten von Boot zu Boot ausgetauscht werden. Neben guten Ratschlägen kursieren natürlich auch die unvermeidlichen neuesten Wettermeldungen. Gerüchte über unhaltbare Zustände in Marinas und Buchten weiter des Weges machen die Runde und da alle Boote in in ein und dieselbe Richtung segeln wirken solche Informationen oft etwas in ihrem Wahrheitsgehalt verzerrt. Wir haben diese Tour, unsere erste Langstrecke zu zweit, als wunderschönstes Segeln bei gutem Wind, sternklaren, mondlosen Nächten und warmen, sonnigen Tagen in Erinnerung. Absolut friedfertig. Am zweiten Tag ging der erste Bonito an den Haken. Köstliche Thunfischsteaks!


Thuna

Die Freude über den tollen Eßtisch von Ray ist immer noch riesig!


Der obligatorische Badestop in badewannenwarmem, tiefblauem Wasser und wir zwei mutterseelenallein auf dem weiten Ozean, nur auf uns gestellt und glücklich, so hätte es jetzt noch wochenlang weitergehen können (überhaupt ist diese Tour ja eine Übung in Zweisamkeit für uns notorische WG-Bewohner). Nach drei Tagen und vier Nächten erreichten wir Porto Santo, nur etwas über 20 Meilen von Madeira entfernt, aber dabei das Gegenteil der grünwuchernden Mutterinsel im Süwesten. Auf Porto Santo hatten wir erstmals das Gefühl des Hiernichtwiederwegwollens. Das Leben tranquillo, die Strände eher leer, der Ort wunderschön und die Insel wie eine Mondlandschaft aus bunten Lavaschichten, aufgetürmt zu hohen Felsen, verwittert und erodiert, durch Menschenhand klinisch tot eigentlich, aber für uns sehr ansprechend rau und noch relativ wenig erschlossen durch häßliche Touristenburgen. Da wir unsere Freunde von der Stina, Tine und Frank (die ob der Häßlichkeit Porto Santos von dort geflohen sind) treffen wollten, bevor sich unsere Spuren verlieren sollten, sind wir nach 10 Tagen eine Insel weitergesegelt. Zuerst lagen wir für zwei Tage in der Baja de Abra an der Ostspitze Madeiras und konnten dort herrlich wandern und den schwarzen Lavagrund nach Fischen abschnorcheln. (Absolut Maret`s Ding, meines eher nicht, wegen des abgrundtief blauen Nichts unter mir. Iko) Vor Funchal, Hauptstadt Madeiras, gab es leider keinen ruhigen Ankergrund. Wie die Pendel einer Uhr schlugen die Masten der ankernden Boote vor dem Stadthafen aus. Reinhard, Einhandsegler aus Flensburg, rief uns zu, daß dies hier nichts für uns sei. Wirklich ist seine Frustrationsgrenze fast unerreichbar. Und doch kam er nach einigen Tagen entnervt zu uns anderen „Weicheiern“ in den Hafen.


Iko, im Hintergrund die Baja de Abra


Madeira ist so grün und hoch und schön und wanderfreudig, dass selbst wir „Strandhasen“ für einige Zeit die Abwesenheit von Ankerbucht und Strand vergessen konnten. Einige Wanderungen führten uns entlang tiefer Schluchten, über Weinberge und Bananenplantagen. An einem Abend waren wir sogar in einem Sinfoniekonzert des Kammerorchersters Madeira (Joly Braga Santos, Aron Copland, Johannes Brahms und seit Urzeiten mal wiedr im Kino („Rain“, Neuseeland). Wir verbrachten viel Zeit in Straßencafés, schlenderten durch die bunte, lebendige Großstadt Funchal. Doch die vielen Autos, die Menschenmassen, das Gewusel am Hafen, der Gestank von der Dieselbunkerstelle, das Hundegekläffe und die Hitze in der Nacht, all das, was eine Stadt so an negativen Seiten haben kann, ging uns nach zwei Wochen auf die Nerven. Wir wollten wieder in „unserer“ ruhigen Ankerbucht liegen. Wie günstig bot sich da die Insel La Graciosa an. Leider trennte sich damit unser Weg von dem der Stina, aber ein Treffen auf Tobago zu Weihnachten ist schon klare Sache.


Atlantikwelle vor Sonnenuntergang



Delphinschule vor unserem Bug


Die Überfahrt nach La Graciosa war wieder ein Erlebnis. Eine ganze Strecke lang wurden wir von einer großen Delphinschule begleitet (übrigens ist das mit Flipper und seinem Meckern als Lüge entlarvt, eine große Kindheitsillusion bricht zusammen! Delphine machen eher Knack- und Fiepgeräusche unter Wasser, aber wenn man sie anruft, kommt gar keine Reaktion. Nur das Dauergrinsen ist doch so wie in der Fernsehvorlage!). Als wir nach zwei Tagen Land in Sicht bekamen, war die Vorfreude wieder groß. Wie zwei Babys im Laufstall standen wir in der Plicht und konnten es gar nicht erwarten, daß unser Ziel endlich näher kam. Mit dem letzten Dämmerlicht fiel der Anker in „unserer“ Bucht.


Balu mit Lanzarote im Hintergrund


Auch hier am Playa Francesa liegen wir zusammen mit „bekannten“ Seglern aus Norwegen, Deutschland, Belgien, Spanien und Frankreich, einige davon begleiten uns schon ein ganzes Stück unserer Route. Hier können wir morgens vor dem Frühstück ins Wasser springen, über die fast menschenleere Insel wandern und die Seele baumeln lassen. Morgen kommt spontaner Besuch von Stefan aus Oldenburg. Ihn werden wir dann in einer Woche nach Lnzarote zurückbringen und dann langsam in Richtung Gomera weitersegeln, um uns dort in Ruhe auf die Überquerung des Atlantiks vorzubereiten. Die Tour über den Atlantik werden wir jetzt doch zu zweit machen, nachdem Uli, unser Mitsegler für die lange Strecke leider krank geworden ist. Bis zur Abreise nach Tobago Ende November haben wir aber noch ein paar Wochen vor uns.

Liebe Grüße von der SY Balu, Maret und Iko
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